Die verwirrendste Weinregion Italiens
Willkommen in der coolsten Weinregion Italiens: Das Veneto beherbergte einst die Venezianische Republik. Diese beherrschte diesen Teil der Welt ein ganzes Jahrtausend lang, nämlich vom 7. Jh. vor Christus bis zum 18. Jh. nach Christus. Selbstverständlich war Venedig, diese mystischste aller Städte, der Star dieser Republik, mit einer Geschichte reich an Machtkämpfen, Romanzen und Intrigen. Venedig hat viele Namen, unter ihnen „Königin der Adria“, „Schwimmende Stadt“, oder „La Serenissima“. Es ist die Geburtsstadt des Komponisten Antonio Vivaldi, der Gondolieri und des Karnevals, der der Stadt einen weiteren Namen verlieh, nämlich den der „Stadt der Masken“.
Das Veneto
Das Veneto ist die achtgrösste Region Italiens. Sie liegt im Nordosten des Landes und grenzt im Westen an die Lombardei und im Süden an die Emilia-Romagna. Weinmässig wird die Region aber oft zusammen mit den angrenzenden Regionen Friuli Venezia Giulia im Osten und dem einst zur K&K-Monarchie Österreichs gehörigen Trentino/Alto Adige als überlappende Weinzone namens „Triveneto“ zusammengefasst. Im Veneto allein existieren 28 DOCs und 14 DOCGs, acht davon teilen sich die Appellation mit den benachbarten Regionen. Dies führt dazu, dass das Veneto als grösste italienische Weinregion gilt. Und all dies bedeutet natürlich, dass die Dinge ziemlich kompliziert sind…
Kompliziert und verwirrend. Deshalb wollen wir hier gar nicht gross auf all das eingehen, sondern uns stattdessen auf einige der grossen Tropfen dieser Region fokussieren, in der Hoffnung, dass ihr so einige Neuentdeckungen macht. Neuentdeckungen natürlich, die sowohl gut munden als auch erschwinglich sind. Also lasst es uns versuchen:
Lugana DOC
Diese DOC umfasst beinahe 50 Quadratkilometer an der westlichen Regionengrenze und am östlichen Ufer des Gardasees, Italiens grösstem See. Hier liegen einige der renommiertesten Weinzonen der Region. Am südlichen Ende liegt die sich langsam ins Rampenlicht drängende Lugana DOC. Etabliert im Jahr 1967, ist Lugana keine Stadt, sondern ausschliesslich eine DOC. Die Reben hier wachsen auf kalkhaltigen Lehmböden, reich an Mineralsalzen.
Lugana ist nicht nur deshalb interessant, weil ausschliesslich Weissweine produziert werden, sondern weil der Wein aus einer Traube gekeltert wird, die exklusiv hier angebaut wird, nämlich der Trebbiana die Lugana. Lokal ist diese Traube auch unter dem Namen Turbiana bekannt (sie ist offenbar verwandt mit der Verdicchio-Traube). Die Weine sind eine exakte Übersetzung des Terroirs, das zwischen den beiden Regionen Lombardei und Veneto liegt: relativ kostengünstige Weissweine, im Preisrange zwischen ca. 12 und 18 CHF, sind sie blassgelb (vielleicht sogar mit einem Hauch Silber) im Glas und betonen in ihrer leichten Säure die sanft blumigen, weissen Pfirsicharomen und die leichte, feuchte Mineralität; im Gaumen verbleibt beim Abgang ein wenig Gewicht, aber dieser Hauch von Säure verhilft sämtlichen Aromen zu ihrer vollen Ausdruckskraft. Als Begleiter dazu? Tja, die Weine stammen ja schliesslich aus den Fischerdörfern… Genug gesagt.
Bardolino DOC
Indem wir uns von der Lugana DOC langsam dem östlichen Ufer des Gardasees entlang hocharbeiten, kommen wir zur Bardolino DOC. Die DOC wurde der flachen, fruchtbaren Ebene im Jahr 1968 gewährt. Während Lugana auschliesslich Weisswein hervorbringt, wird hier ausschliesslich Rotwein produziert. Relativ oft handelt es sich hier um eine Cuvée aus drei verschiedenen autochthonen Rebsorten: Corvina, Rondinella und Molinara (die aber langsam immer weniger verwendet wird). Dasselbe Trio wird natürlich meist auch in der östlich angrenzenden Valpolicella-DOC für deren unkomplizierte Weine angebaut. Corvina, mit all ihren säuerlichen Kirschenaromen, gibt der Cuvée ihren Rahmen und ihre Struktur. Rondinella kommt dazu, um den Weinen mit ihren Aromen von hellen Beeren und Kräutern mehr Persönlichkeit und Individualität zu geben. Ein guter Bardolino sollte nicht mehr als ungefähr 16-18 CHF kosten und passt hervorragend zu gegrilltem Fleisch. Wir empfehlen euch, diese Weine in den wärmeren Monaten vor dem Genuss kurz in den Kühlschrank zu stellen.
Soave
Wenn wir nun weiter südöstlich gehen, gleich „unter“ die Valpolicella-Zone und östlich von Verona, kommen wir in die turbulente Soave-Region. Hier werden jährlich Millionen von Flaschen Soave abgefüllt, was den hiesigen Weisswein zu einem der berühmtesten Namen Italiens macht, ähnlich wie Pinot Grigio oder Chianti.
Aber was ist Soave genau? Eine Traube? Eine Cuvée? Das Soave ist eine kleine, hügelige Gegend, die vor allem durch seine autochthone Traubensorte Garganega Berühmtheit erlangte. Sie produziert einen Weisswein mit Noten von Mandeln und Zitronenschalen, mit einiger Säure und viel Tiefgang. Als das Soave im Jahr 1968 die eigene DOC erhielt, waren die Weine jahrelang „très chic“, was dazu führte, dass die Zone ausgeweitet wurde von den hügeligen Gegenden auf die weiten Schwemmlandebenen (Ton, Schlamm, Sand und Kies) entlang des nahen Flusses Etsch oder Adige. Mit dieser Expansion und dem entsprechenden hohen Bedarf an Soave-Weinen musste die Garganega anderen Traubensorten Platz machen, wie zum Beispiel der Trebbiano di Toscana, Trebbiano di Soave (Verdicchio), Chardonnay oder Pinot Bianco. Dies führte dann aber zu starken Qualitätseinbussen, worauf sehr komplizierte qualitätssichernde Gesetze geschaffen wurden, die für alle nicht-Eingeweihten ziemlich spanisch klingen…
Wenn ihr also die Begriffe Soave DOC, Soave Classico oder Soave Colli Scaglieri auf der Etikette entdeckt, handelt es sich immer um einen Wein, der mindestens 70% Garganega-Trauben enthält, mit maximal 30% anderen Trauben (Trebbiano di Soave, die die Säure etwas dämpft, und Chardonnay, die dem Wein etwas mehr Körper und Tiefgang verleiht). Wenn ihr dagegen Soave Superiore DOCG, Soave Classico Superiore DOCG oder Soave Superiore Riserva DOCG auf der Etikette entdeckt, ist das ein Wein mit immer noch mindestens 70% Garganega-, und höchstens 30% Trebbiano di Soave, Chardonnay oder Pinot Bianco-Trauben. All diese Weine können aber auch zu 100% aus Garganega bestehen, und tun dies oft auch, aber in diesem Fall handelt es sich dann meist um die Teureren. Kompliziert? Sehr. Aber das ist bloss der Anfang, viele weitere Faktoren sind involviert.
Jedenfalls ist es so, dass Soave ein einfacher Tischwein sein kann, aber auch gleichzeitig ein absolut hochstehender Begleiter feinster Gourmetgenüsse zu über 50 CHF. Die verschiedenen Soaves sind demnach qualitativ höchst unterschiedlich, und jeder von euch wird wohl aus dieser riesigen Auswahl seinen eigenen Liebling erküren müssen – welch Qual der Wahl! Aber natürlich helfen wir euch dabei, und ihr könnt euch wie immer völlig auf unsere Expertise verlassen. Bei uns findet ihr bestimmt keine Massenware.
Wenn ihr nun also zurück denkt an Venedig, die „Serenissima“, vom Journalisten und Kriegskorrespondenten Luigi Barzini damals als „zweifellos die schönste von Menschenhand erschaffene Stadt der Welt“ bezeichnet, und an das Rialto-Distrikt mit seinen Hunderten von Wine Bars, so könnt ihr nun auch irgendwo sonst in der Welt einen Soave kaufen, das Etikett begutachten, eure Augen schliessen und euch einfach eure Portion Serenissima erträumen…
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