Langeweile war gestern…

…oder: Die wiederentdeckte Sorte

Es gibt Rebsorten, die trinkt man und merkt es nicht einmal.

Es gibt Weine von denen man noch nie gehört hat…

Wir meinen in diesem Falle nicht, weil sie so schnell aus unserem Gedächtnis verschwinden oder wir zu viel davon getrunken haben, so dass sich unser Erinnerungsvermögen schon im Wochenendmodus befindet.

Wir sprechen von Traubensorten, die gelegentlich in sogenannten Bordeaux-Cuvées verwendet werden und selten reinsortig zu finden sind.

Das oben erwähnte Schicksal und die Tatsache, dass die Sorte Carmenere uns so wenig geläufig ist wie das Paarungsverhalten von pupertierenden Heuschrecken, haben wir einem kleinen Parasiten Namens Reblaus zu verdanken.

Dieses äusserst hungrige Insekt, bereits vor über hundert Jahren versehentlich aus Nordamerika nach Nordeuropa eingeschleppt, vernichtete gemeinsam mit anderen Rebkrankheiten die Bestände vieler Traubensorten wie Cabernet, Merlot und eben auch des Carmenere in Europa.

Lediglich in Chile und einigen wenigen Ecken Norditaliens konnte sich Carmenere in kleinen Mengen in Sicherheit bringen.

Unsere spezielle und beinahe vergessene Sorte tarnte sich so gut, dass man bis ins Jahr 1993 gar nicht wusste, dass es sie überhaupt noch gibt. Nur dem Zufall, der modernen Wissenschaft und dem Enthusiasmus chilenischer und einiger norditalienischer Winzer haben wir es zu verdanken, dass sich die Rebbestände der Carmenere heute wieder einigermassen erholt haben.

Besonders die Familie Inama, allen voran Vater Stefano und sein Sohn Matteo, haben Carmenere in ihr Herz geschlossen.

Der Familienbetrieb Inama, in San Bonifacio im Herzen der Colli Berici in den hügeligen Landschaften des Veneto gelegen, widmet sich seit geraumer Zeit eben nicht nur dem weissen Klassiker, dem Garganega, der hier oft mit etwas Trebbiano zum berühmten Soave wird, sondern sie haben auch den Individualisten Carmenere für sich entdeckt und ihm neues Leben eingehaucht.

Seit Ende der 90er Jahre ist der wilde Carmenere aus dem Programm nicht mehr wegzudenken und zeigt, wie intensiv und hochwertig die Sorte sein kann.

Inzwischen wird der Carmenere, der auch unter dem Namen Grande Vidure bekannt ist und durch seinen pfeffrigen Duft, der intensiven Cassisnote und seinen manchmal etwas kantigen Gerbstoffen auffällt, oft mit Merlot oder Cabernet gemeinsam verschnitten, um ihn etwas sanfter und trinkiger zu machen.

Wir mögen ihn jedoch pur am liebsten, denn was unser kleiner wiederentdeckter Freund niemals werden wird, ist Mainstream. Wer Allerweltsgeschmack bevorzugt, sollte Carmenere deshalb meiden oder nur in kleinen, homöopathischen Dosen geniessen.

Vorsicht allerdings: Man gewöhnt sich schnell an diesen charaktervollen tiefdunklen Wein mit seinen Ecken und Kanten.

Langeweile war gestern!

Ihr Stefan Hofer und das Genussteam.

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