Wein braucht Luft!

…oder:

Schatz, mach doch schon mal die Flasche auf

Mittwochabend, ein ganz normaler Wochentag, die Arbeit ruht, der Feierabendverkehr ist gemeistert, die Einkäufe erledigt.

Endlich Sofa.

Halt, nicht so schnell mit den jungen Pferden. Da war doch noch was oder?

Genau!  Das Abendessen will noch zubereitet werden, und ich hatte ja meiner besseren Hälfte gestern Abend versprochen, mich heute bei dessen Herstellung angemessen zu beteiligen. Genau genommen heisst das für mich, die niederen Aufgaben wie Zwiebeln schneiden, Gemüse waschen, Kartoffeln schälen und andere technisch anspruchsvolle Dinge zu übernehmen.

Den Wein zum Essen sollte ich ausserdem aussuchen.

Dieser Teil der Aufgabenteilung gefällt mir bei der Sache am besten, und dementsprechend dauert der nicht zu unterschätzende Auswahlprozess im Keller oft etwas länger. Gut Ding will eben Weile haben. Ausserdem obliegt mir noch der verantwortungsvolle Part, den Wein auf das anstehende Gelage vorzubereiten, sprich die Flasche vorher zu öffnen. Und hier lauert schon der erste Stolperstein auf dem Weg zu einem perfekten Abend mit tollem Essen und einem Wein, der sich von seiner besten Seite zeigen sollte. Sollte ich die Flasche Wein eine Weile vor dem Genuss öffnen? Natürlich immer zusätzlich mit der locker in den Raum geworfenen Bemerkung, dass dieser dann ja noch etwas atmen kann. Eine dieser vielen Wahrheiten, die wir aus der Weinwelt so kennen, und die wir doch hier einmal ernsthaft hinterfragen sollten.

Hier also die Fakten: Der durchschnittliche Flaschenhals einer normalen Flasche Wein, genauer gesagt die Öffnung, aus der unser Elixier fliessen soll, hat einen Durchmesser von 1.5 Zentimetern. Durch diesen engen Teil muss jetzt die ganze Luft, um unseren noch etwas verschlossenen Freund besser zur Entfaltung zu bringen. Da sich die Oberfläche der Flüssigkeit direkt unterhalb der Öffnung befindet, ist die Kontaktfläche des Weines zur gewünschten Frischluft allerdings äusserst gering. Es würde also eine gefühlte halbe Ewigkeit dauern, bis unser Wein eine angemessene Belüftung, die bei einigen jungen, hochwertigen Weinen oder auch älteren Semestern ja auch durchaus Sinn macht, erfahren würde.

Können wir uns dann jetzt das ganze Theater mit dem Öffnen schenken oder hat es noch einen anderen tieferen Sinn, der sich uns bis jetzt noch nicht erschlossen hat? Jein. Die meisten Weine auf dem Markt brauchen diesen ganzen Schmus tatsächlich nicht, denn sie sind auch ohne grosses Belüften fertig zum Genuss. Wenn dann wirklich mal der eine oder andere an einem Mittwochabend etwas Luft brauchen sollte, und die Bereitschaft, eine Weinkaraffe aus dem Schrank zu holen, eher gering ist, dann tun es auch einfach etwas grössere Gläser, um dem Wein das Atmen zu erleichtern. Eine andere Lösung, die mehr oder weniger viel Zeit kostet, aber nicht allzu schlimm ist: Einfach etwas abtrinken, um die Kontaktfläche des Weins in der Flasche zu vergrössern. Nebeneffekt: es macht natürlich durchaus Sinn, einen Wein vor dem Essen zu öffnen und zu probieren, um allfällige böse Überraschungen wie einen Korkton oder andere Fehlaromen im Wein zu erkennen, denn es gibt nun wirklich nicht blöderes, als eine neue Flasche aus dem Keller zu holen, wenn das heisse Essen schon auf dem Tisch steht.

In diesem Sinne

En Guete!

PS: Den Abwasch mach ich dann später

 

 

 

 

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